X. Amphi 2014 , Die Jubiläumsausgabe

DSC01730 (Medium)DSC_0597 (Medium)

Zum 10. Mal öffnete das Amphi Festival am 26./27.07 2014 seine Pforten und bereits zum 9. Mal am Kölner Tanzbrunnen. (Und wer jetzt als Unwissender vor Neugier fast platzt – das erste fand in Gelsenkirchen im Amphitheater statt – ich hoffe es hat Klick gemacht 😉 .
Mittlerweile hat sich über die Jahre der organisatorische Ablauf hervorragend eingespielt, die Infrastruktur ist bestens organisiert. Anregungen und Verbesserungsvorschläge wurden soweit machbar immer umgesetzt. Die Folge: Ein Wohlfühl-Ambiente bei dem man sich ganz relaxed auf die Musik/Bands einlassen kann, Freunde und Bekannte aus der Szene trifft, neue Trends entdeckt und am abwechslungsreichen Rahmenprogramm teilnehmen kann. Einzig mir bekannte begründete Kritik sind die oft thematisierten Preise der Gastronomie. Ich will aber darüber nicht zum X-ten Mal schreiben. Das ist einfach dem Konzept der Location Tanzbrunnen geschuldet. Damit muss und kann man für diese zwei Tage durchaus leben.

Das Wetter meinte es diesmal an beiden Tagen sehr gut mit den jeweils 16000 Anwesenden. Kein Regen und bei leichter Bewölkung bis zu 27°C. Ideales Festivalwetter also und entsprechend gut war die Stimmung der Besucher. Das Rondell zentral im Tanzbrunnen wurde wegen der Shop-Aufgabe von X-tra-X diesmal als Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeit genutzt, was ich durchaus entspannend empfand, da man hier fast immer einen Platz ergattern konnte und von zentraler Stelle einen wunderbaren Überblick über das Geschehen hatte. Ansonsten hat sich wenig verändert. Die Bandauftritte fanden auf der Hauptbühne und im Staatenhaus statt und das Rahmenprogramm im Theater. Im Freigelände fand sich das vielfältigen gastronomischen Angebot sowie die Möglichkeit in den zahlreichen Shops das ein oder andere Accessoire oder Kleidungsstück für sein Outfit zu ergattern. Das großräumig angelegte Cafe im Staatenhaus mit seinen vielen Sitzgelegenheiten lud zu einer kurzen Pause ein und war ideal geeignet die vielen vorbeiziehenden Besucher zu beobachten. Wer ein wenig Zeit mitbrachte (je nach Band mitunter eine längere Schlange) hatte hier auch die Möglichkeit ein Autogramm seiner Lieblingsband zu bekommen.

DSC_0273 (Medium)DSC_0614 (Medium)

Diesmal waren wir zu zweit auf der Jagd nach Schnappschüssen und Fotos besonders origineller Besucher. Wie immer war die Kreativität bei der Gestaltung der Kostüme aus allen Gothic Stilrichtungen enorm. Das sollte dann auch mit einem schönen Foto belohnt werden. Ausnahmslos freuten sich die Teilnehmer wenn wir sie auf ein Foto ansprachen. Ich hoffe wir konnten dazu beitragen, mit den festgehaltenen Eindrücken das Amphi-Flair ein wenig einzufangen.

Hier nochmal die Links:

BESUCHER FOTOS
BAND FOTOS

Erwähnenswert ist die Begegnung mit der sicherlich ältesten Teilnehmerin des Festivals, die stilecht mit Amphi-Shirt gekleidet mit ihrem Rollator auf Tour war. Foto findet Ihr weiter unten im Bericht. Nach eigener Aussage 80 Jahre alt – Respekt …. da stehen uns, um da mitzuhalten, dann auch noch ein paar Amphis bevor.

Trotz des Wegfalls des angeschlossenen offiziellen Campingplatzes im Kölner Jugendpark (wegen neuer behördliche Auflagen) war das Amphi auch dieses Jahr wieder ausverkauft. Alternative Campingmöglichkeiten sind zwar möglich, aber nicht in unmittelbarer Nähe zur Location. Das ist schade, denn es trifft vor allem das jüngere Publikum, das sich die Hotelpreise in Köln nicht unbedingt leisten kann.
Apropos Hotel: in den letzten Jahren haben wir so ziemlich jedes Hotel in Laufnähe des Amphi ausprobiert. Sollte jemand diesbezüglich eine Empfehlung brauchen (Lage, Preis/Leistung) einfach mal melden.
Eine kleine Geschichte am Rande: dieses Jahr hatten wir während des Frühstücks eine ältere Servicekraft die alle anwesenden Gäste (fast alle in schwarz) auffallend strahlend und herzlich bediente. In einem kurzen Gespräch erzählte er, wie positiv er das jährliche Amphi-Wochenende und die Offenheit der Gäste empfindet. Ähnliche Begebenheiten gibt es immer wieder. Das nur nebenbei, da so oft ein falsches Bild der Szene in der Öffentlichkeit mit vielen Vorurteilen existiert.

DSC_0603 (Medium)DSC_0144 (Medium)DSC_0563 (Medium)

Auch dieses Jahr war wieder festzustellen wie international sich das Publikum zusammensetzt. Sei es beim Fotografieren mit anschließendem Smalltalk oder einfachem Aufschnappen von Gesprächsfetzen der Gruppe nebenan. Überall waren vielfältige Sprachen zu hören. Engländer, Franzosen, Belgier, Niederländer, Skandinavier, Russen, Ukrainer, Italiener uvm. konnte ich ausmachen. Ich finde es toll, dass das Amphi international so bekannt geworden ist. Irgendwie ist es ja auch ein wichtiges Aushängeschild der deutschen Gothic Szene. Die Location in Köln mit der hervorragenden Infrastruktur ist dafür wie geschaffen und trägt positiv zu dieser Entwicklung bei.

Bands:

Durch die Vielzahl der parallel stattfindenden Auftritte war es nicht immer einfach alles mitzuerleben. Oft teilten wir uns auf um überall dabei zu sein.

Phosgore
gleich richtig zur Sache ging es mit Phosgore im Staatenhaus. Als Ersatz für Eisenfunk nachnominiert sicherlich eine sehr gute Wahl. Extrem tanzbar, mitreißende Beats und viele technoide Elemente prägen diesen Sound. Vorwiegen als DJ aktiv, ist Phosgore seit mehreren Jahren auch mit eigenen Kompositionen aktiv. Mir noch relativ unbekannt lieferten Flo und Sonja ein gelungenes Amphi-Debut ab.

Midge Ure
Spielte natürlich die Klassiker von Ultravox aber auch von Visage „fade to gray“ usw. Alles mit hohem Retro-Faktor…. ja das waren damals noch Zeiten in unserer Jugend….

DSC_0886 (Medium)DSC01571 (Medium)

Front 242
Kaum begonnen wars erst mal auch schon wieder vorbei. Technische Probleme veranlassten die Band während des ersten Songs mit einem knappen Satz von Frontmann Daniel B, so nach dem Motto „it‘s impossible“, ohne weiteren Kommentar die Bühne zu verlassen. Ratlosigkeit bei den Fans und langes Warten bis zumindest die Amphi-Moderation (In Form von Schöngeist Frontmann Timur Karakus) nach einer gefühlten Ewigkeit eine kurze Erklärung abgab, dass an dem Problem gearbeitet werde. Tatsächlich, als man quasi schon nicht mehr damit rechnete, ging es wieder weiter. Richtige Stimmung kam nicht mehr auf und die verlorene Zeit konnte natürlich nicht nachgeholt werden und überpünktlich war dann bereits 5 Minuten vor der behördlich verordneten Deadline auch Schluss. Fazit: Enttäuschend. Im Nachhinein stellte sich raus, dass das Problem von einem defekten bandeigenen Mischpult ausging. Per 242 Webseite entschuldigte sich später die Band bei den Fans. Trotzdem fand ich die Aktion unprofessionell. Probleme können immer auftreten – dafür hab ich Verständnis – nicht unbedingt aber über die Art von 242 dies zu vermitteln. Da haben sich meine früheren Helden nicht mit Ruhm bekleckert….

Centhron
WOW! lasst uns gemeinsam die Köpfe schütteln… keiner kann das besser als die Industrial Headbanger von Centhron. Die Band gehört aktuell zu meinen Lieblingsacts und entsprechend gut kenne ich die Stücke. Extrem mitreißend war dann auch ihr Auftritt. Von harten Bässen zum zwangsweisen Mittanzen und Mitsingen animiert hielt meine durch eine Erkältung bereits angegriffene Stimme auch nur 4 Lieder bis sie kaum noch vorhanden war. Klasse wars trotzdem…

Hocico
Selbst Hocico, der immer so martialisch daherkommt muss eindeutig Humor haben. – Diesmal brachte er für den ersten und letzten Song eine traditionell mexikanische Mariachi Combo mit passenden Gewändern und Instrumenten mit. Seine 666 geschminkten Companieros trällerten dann auch stilecht ein „la cucaracha“ daher, während Erk die mexikanische Flagge schwenkte. Sein Konzert war wie immer geprägt von seiner zornig aggressiven Ausstrahlung, den mitreißenden Beats und seinem verzerrten aber eingängigen Gesang. Lässt sich kaum beschreiben, aber das Ergebnis reißt einen immer wieder mit.

Noisuf-X
Diesmal im Trio (bei ihren letzten Auftritten nur zu zweit) heizte Jan Loamfield
als Opener am Sonntag den anwesenden Fans so richtig ein. Es gibt kaum eine Musik die so zum Mittanzen animiert wie seine. Gerade bei Stücken wie „Warning“ oder „Hit me Hard“ ist Gegenwehr zwecklos

DSC01267 (Medium)DSC_0800 (Medium)

Lord of the Lost
haben sich fest etabliert. Richtig guter und eingängiger/melodiöser Dark-Rock.
Dazu eine richtig gute Bühnenpräsenz und meines Erachtens auch Starpotential….
Hat mir gut gefallen.

Neon Judgement
Der Song – Chinese Black – vor 25 Jahren auf fast jedem EBM-Sampler zu finden …sicherlich auch noch irgendwo in meinem verstaubten CD Regal. Live noch nie gesehen war der Auftritt für mich auch so ein Retro-Höhepunkt des diesjährigen Amphi. Die restlichen gespielten Songs waren ok, aber leider auch nicht mehr….

Blutengel mit Monument Orchester
Ja, es war beeindruckend, eben sehr klassisch …und auch gefühlt monumental. Der Anfang dieser Entwicklung begann für Blutengel auf dem Gothic meets Klassik Festival Ende 2012 in Leipzig. Ich glaube Chris war von dem positiven Feedback und den ergreifenden Eindrücken dieses Events selbst überrascht und schwer beeindruckt. Das zumindest kann man folgern wenn man die anschließende Entwicklung von Blutengel verfolgte. Aktuell bestimmt das klassische Element sein Programm und beschert allen die damit noch nicht in Berührung gekommen sind eine gelungen beeindruckende Abwechslung.
Ein wenig wehmütig erinnere ich mich aber auch an die früheren Bühnenshows und den unverwechselbaren düsterpoppigen Originalsound der Blutengel eigentlich ausmacht.
Nebenbei positiv aufgefallen ist mir der stimmliche Fortschritt von Chris. Es gab diesbezüglich diesmal kaum Schwächen.

Mono Inc
da fasse ich mich kurz, bevor ich was Falsches sage. Das Kinderlied „heile heile Segen“ geht gar nicht – Ich muss mich schon fast fremdschämen für alle die mitgrölen. Sonst aber solide gemacht, souverän wie immer nach alter Manier die Fans mit den älteren Liedern auch mitgerissen und begeistert. Selbst ohne den Passenger ;-), Das Trommelsolo wie immer ein Highlight. Seine Stimme empfand ich etwas heiser, da gings ihm vielleicht wie mir.

Die Krupps
hatten anfangs auch technische Probleme, die aber kurzeitig behoben wurden – auch ohne mit theatralischem Abgang gleich die Bühne zu verlassen… was sich Jürgen Engler, der Sänger von den Krupps verbal mit einem kleiner Seitenhieb auf 242 auch nicht verkneifen konnte zu erwähnen.
Ansonsten souveräne Vorstellung

Rotersand
schafften es erneut mit ihrem melodiösen Synthpop gepaart mit prägnanten Beats und Synths die Halle zum Mittanzen zu animieren. Die gespielten Tracks waren klug gewählt und repräsentierenden eher die schnelleren Stücke aus ihrem Repertoire. In Summe einfach klasse was die zwei Jungs da ablieferten.

DSC02148 (Medium)DSC_0268 (2) (Medium)

Mesh
Für mich ein absolutes Highlight, und mit dieser Meinung schien ich nicht der Einzige zu sein. Bereits mit dem ersten Song den Mark Hockings mitten aus dem Publikum vom Mischpult aus präsentierte, fing er seine Fans ein. Britischer Syntpop der 1. Kategorie mit absolutem Ohrwurmfaktor.

Solar Fake
Waren bereits beim letzten Amphi mit dabei. Ihre Musik findet von Jahr zu Jahr mehr Liebhaber. Gespielt wurden ihre Hits sowie einige Stücke vom aktuellen Album.

The Klinik
Sehr speziell – so kann man die Musik kurz beschreiben. „Black Leather“ fand ich vor 20 Jahren eines ihrer besten Lieder und daher freute es mich es einmal live zu hören. Für viele der anderen Songs muss man heute leidensfähig sein und experimentelle elektronische Musik sehr mögen. Damals war er seiner Zeit weit voraus. Marc Verhaeghen ist auf jeden Fall einer der Vorreiter des Industrial, da er beispielsweise was den Gesang betrifft schon immer mit Verzerrern gearbeitet hat.

APOP (Apoptygma Berzerk)
Synthpop vom Feinsten…Auch diese Band hat im Laufe der Zeit schon viele gute Lieder hervorgebracht. Alle wurden professionell und routiniert präsentiert. Vor allem aber Kathys Song – da bekomme ich immer Gänsehaut…

Eisbrecher
Man kann sagen was man will, auch wenn ich die Testosteron gesteuerte Art von Alex nicht gerade prickelnd finde – er rockt die Bude ja schon richtig gut. Das große Repertoire an konzerttauglichen Hits tut das übrige. Er liefert eine tolle Show ab, und die in warme Abenddämmerung gehüllte Location bot eine einmalige Kulisse. Der gesamte Platz war komplett mit Menschen gefüllt, die die besondere Atmosphäre miterlebten.

Janus CyberblogDSC02528 (Medium)

Fazit:
Traumhaftes Festival-Wetter, wie bestellt für die Amphi Jubiläumsausgabe. Super Musik, für jeden was dabei und wie sagten unsere belgischen Newbies so treffend: relaxed cooles Publikum bei toller Atmosphäre. Das war das Amphi 2014.

Schön auch, dass es unseren diesjährigen insgesamt vier skeptischen Amphi Debütanten so gut gefallen hat. Das freut uns natürlich vielleicht seid Ihr ja irgendwann wieder mit dabei.

Danke an alle Leser des Berichtes, denn wer beim Lesen bis zu diesen Zeilen gekommen ist, den muss es tatsächlich interessiert haben.

Also man sieht sich – irgendwann – irgendwo auf einer Veranstaltung – aber spätestens auf dem Amphi am 25./26. Juli 2015 wieder.

Janus Cyberblog

Festivalbericht WGT 2014

Da ich selbst nicht mit dabei sein konnte möchte ich mich bei ObscuraLuce & Team bedanken die exclusiv für mein Blog einen lesenswerten Bericht mit Fotos über das WGT 2014 verfasst haben – DANKE!

DSC09934DSC09853

WGT Tag 1
Man sollte es kaum glauben: mein erstes WGT! Das programm ist riesig und es fällt schwer, sich zu entscheiden. Zu groß ist das angebot, da hilft es nur vorab ‚must haves‘ zu definieren, und sich ansonsten einfach treiben zu lassen. Der freitag beginnt mit anstehen für die bändchen gefolgt vom einkaufen für das viktorianische picknik. Die stadt ist am späten vormittag des ersten tages bereits deutlich schwarz eingefärbt. Es gibt schon viel zu bestaunen, die bevölkerung verschanzt sich schon mal gern in der straßencafés, die kamera immer bereit, das unglaubliche einzufangen.
Nach einem kleinen bummel durch die stadt trieb es uns zur moritzbastei. Hier herrscht mittelalterliches treiben mit viel kunsthandwerk, edlem schmuck und leckeren speisen, in einem zelt lassen wir uns professionell ablichten.
Mit dem bus geht es weiter zum clara zetkin park. Hier findet die wohl bekannteste schau der szene statt: das viktorianische picknik. Die kostümierungen sind einzigartig, unvergleichbar, faszinierend. Vor allem wenn pärchen oder ganze gruppen sich thematisch aufeinander abgestimmt haben. Auch hier viele zaungäste, muggles, die einen blick über den zaun in eine bunte fantasiewelt erhaschen wollen. So teilen sich hier friedlichen normale familien mit kindern, alte ehepaare und die schillernde welt der bunten, nicht immer ganz eingeschwärzten paradiesvögel den wunderschönen park mit altem baumbestand und kleinen seen. Romantik pur, erinnerungen an längst vergangene zeiten werden wach. Damen in roben aus dem 18. jahrhundert mit riesen reifröcken unter ausladenden empire kostümen, männer in frack, zylinder mit gehstöcken. jugendstil, romantik, steampunk – alles ist vertreten. Es bilden sich trauben von fotografen um die ausgefallensten erscheinungen. Sehen und gesehen werden.
Nach längerem fußmarsch und ein paar straßenbahn stationen kommen wir schließlich im kohlrabizirkus an. In der eigentlichen eissporthalle wird ebm vom feinsten angeboten: rotersand, sitd und hocico haben sich angekündigt. So konnte der kontrast im outfit nicht deutlicher sein: liebliche erscheinungen werden hier durch eher martialische elemente ersetzt. Der eine oder andere cyber ist auch auszumachen. Die ernüchterung bei der einlasskontrolle: mit unserer großen kamera mit wechselobjektiv dürfen wir nicht rein! Also mit der tram wieder zurück zum bahnhof wo unser auto steht – und dann mit dem auto wieder zum kohlrabi. Von rotersand bekommen wir so nur noch drei vier lieder mit. Das publikum geht mit, die halle ist ziemlich voll, im saal wie auf der bühne hat man spaß!
Nach kurzem umbau geht es im wunderschönen kuppelbau weiter mit [:SITD]. Nach eingangs kurzem technischen Problem steuert carsten jacek in gewohnter Manier mit seinem druckvollen Gesang durch harte electrobeats.
Wir können nicht allzu lange bleiben und verabschieden uns Richtung Agra halle. Die agra halle besteht aus mehreren hallen, die tagsüber zum großen teil als Shopping mall genutzt werden und ein aussergewöhnliches Spektrum an nicht nur Kleidung sondern auch pikantem Zubehör aus der SM Szene angeboten wird. Um das Gelände erstreckt sich ein riesiger gut gefüllter Campingplatz. Doch wir sind für apotygma berzerk hier. Die Norweger um stephan groth haben ja nun schon einige Jahre bühnenerfahrung auf dem Buckel. So führten sie auch hier sehr routiniert durch das Programm, das alte Klassiker wie auch neueres wie Major tom zu bieten hatte. Der Sound war für meine begriffe extrem laut und hart, so dass ich mich ans hintere ende der halle, die inzwischen bestimmt eine Temperatur von 40 grad hatte, zurück zog.

DSC09804DSC09791

WGT Tag 2
Nach kurzer nacht machen wir uns nach einem ausgiebigen frühstück auf unserer hotelterrasse auf, Richtung Innenstadt. Der planet brennt und die Temperatur liegt schon bei 30 grad. Wir gehen ins Museum und zwar in die Stasi unterlagenbehörde. Da unsere gruppe aus drei ehemaligen DDR bürgern besteht, wird die Ausstellung ‚Kinder der nacht – unangepasst und überwacht‘ besonders lebendig. Neben vortragen finden sich hier vor allem verhörberichte und Fotos der ‚delinquenten‘ Man kann in alten Akten stöbern, Filmmaterial ansehen, das die Methoden der Stasi deutlich macht und sich einen teil der Müllsäcke mit geschreddertem aktenmaterial ansehen, das noch in mühe voller kleinstarbeit zusammengesetzt und gesichtet werden soll.
Vor dem Museum kommen wir mit dem Drummer der band ‚joy of life‘ ins Gespräch, die am tag zuvor ihren auftritt auf dem WGT hatte. Auch er zeigte sich sehr beeindruckt von der Ausstellung und überhaupt vom wilden Osten. Er ist nun schon zum dritten mal aus london nach Leipzig angereist
Es ist so heiß, wir suchen uns durch das dichte Gedränge in der Innenstadt ein schattiges Plätzchen in einem eiscafe. Nach der Stärkung zieht es uns nochmal zur moritzbastei mit seinen mittelalterlichen verkaufsständen. Auch hier ist das Angebot an fantasievollen Fotomodellen riesig: wir setzen uns in den schatten und lassen die illustren Figuren an uns vorbei defilieren.
Nach kurzem einkaufs stop sind wir wieder im Clara zetkin park und veranstalten ein kleines Picknick am Ufer der Elster und lauschen den fernen klängen der livebühne im park. Nach der stärkung gehen wir den klängen nach und landen bei ewigheim, einer dark metal band aus Thüringen. Wunderschöne tiefe stimme und eingängige gitarrenrythmen. Dann schweben die Untoten über die parkbühne, eine dark band um die Sängerin und Künstlerin grata Csatlós. für mein empfinden passen weibliche stimmen nur selten in die die schwarze musikszene. Das ist einfach zu zart und auch bei den untoten nicht anders.
Zum glück haben sich inzwischen ein paar wolken vor die erbarmungslose sonne gestellt, was allerdings nur wenig linderung vor der hitze bedeutet.
Wir fahren weiter ins NonTox LE, wo noisuf x erwartet wird. Quasi im vorgarten dieses nachtclubs geben jan L und kollege ein mitreißendes konzert vor ca 700 cybers gemäß dem motto ‚deutschland braucht bewegung‘. Diese kommt auch nicht zu kurz und zu Hits wie Warning, hit me hard oder click click geben die EBM jünger trotz immer noch hohen Temperaturen dieser Leipziger nacht alles. Vollkommen erschöpft machen wir uns im anschluss wieder zurück in die innenstadt wo uns ein kontrastprogramm erwartet wie es nicht größer sein könnte: im städtischen kaufhaus, einem ehemaligen messehaus, gibt es in einem der gewölbekeller des lichtdurchfluteten stadtpalais, ein schmankerl der extraklasse. exklusive ausstattung, wallende stoffbahnen, arkaden, kronleuchter mit brennenden kerzen, canapes mit großen kissen, viedeoleinwände mit historischen szenen aus ludwig XVIII filmen, eine galerie über der dunklen tanzfläche – all das lädt ein zur dunkelromantischen nacht. Die musik spährisch schwarz, dunkel, romantisch, ruhig und langsam. Man erscheint in wallenden historischen gewändern und bewegt sich dezent. Wenn auch musikalisch nicht mein geschmack getroffen wurde, man muss das einmal gesehen haben. Müde fallen wir ins bett.

DSC09916DSC09871DSC09848DSC00211

WGT Tag 3
Ein neuer tag erwacht, dieser tag soll noch heißer werden. Doch lieber an den See fahren? Nein, unser Auftrag lautet anders und da darf keine schwäche gezeigt werden. Doch wir lassen es ruhiger angehen. Temperaturen von 37 grad lähmen doch etwas.
Shoppen steht erstmal auf dem programm. So fahren wir zur agrahalle, die eine halle ist komplett dem verkauf von Kleidung, Schuhen, schmuck, fetisch, accessoires und Musik verschrieben. Die Auswahl ist enorm. Es gibt so viel zu sehen und zu bestaunen. Viktorianische roben und installationen, hörner für den kopf, fantasievolle Korsagen, schwere mit nieten überladene Gürtel, Perücken, gewagtes Schuhwerk und nicht zu vergessen die sonderlichen medizinischen Instrumente auf dem SM stand.
Wir ziehen weiter ins heidnische Dorf mit seinem mittelalterlichen treiben: musik, handwerkskunst, leckere Spezereien und die Jungfrauen Versteigerung lassen uns teil einer vergangenen zeit werden. Es ist voll und wir schieben uns durch die menge, machen eine längere pause und sind dankbar für den Baumbestand, der uns reichlich schatten spendet.
Wir wollen nochmal zurück in die Innenstadt und nehmen dort angekommen ein leckeres spaghettieis ein, dankbar sind wir für den riesigen Ventilator, der auch feine Wassertropfen versprüht. So lässt es sich aushalten. Über den markt geht es dann ins darkflower, einem schwarzen musikclub. Hier gab es wohl einen release party des neuesten Albums von lord of the lost. Leider ist die band schon wieder weg als wir ankommen. Musiktechnisch wird hier eher NDH geboten, was wir bis jetzt noch gar nicht hatten.
Unser plan ist, Richtung Kohlrabizirkus aufzubrechen. Hier werden einige Highlights erwartet. Als wir eintreffen spielt noch metroland aus Belgien, einer von Kraftwerk inspirierten elektroband. Und so ähnlich klingen die beiden Herren auch. Die musik macht lust auf mehr und ich werde mich im nachgang zum festival hier tiefer einhören. Die halle füllt sich zusehends, denn jetzt werden chrom erwartet. Es ist so schön zu sehen, wie sich diese band inzwischen fest etabliert hat und eine breite Anhängerschaft vorweisen kann. Ihr auftritt mein persönliches Highlight. Kraftvoll, romantisch, melodisch, tanzbar, sehnsüchtig. Es werden Klassiker wie loneliness, losing myself oder Memoires gespielt. Ich schwelge bis zum Schluss dahin und bin ganz vorne dabei. Die Jungs arbeiten momentan an einem neuen Album und wir konnten bereits ein Lied davon hören, das durchaus Lust auf mehr macht.
Danach kamen die old Stars von solitary experiments auf die Bühne, die ihr gewohntes Programm routiniert abspulten. Ich bin nur teilweise dabei, ich habe die Jungs um dennis schober erst vor wenigen Wochen live gesehen. So nutze ich die Chance mich vor der halle auf eine der wenigen Bänke zu setzen und bei einem kühlen Getränk mit anderen ins Gespräch zu kommen. Ich treffe auf menschen, die bereits seit 7 bzw. 13 Jahren regelmäßig zum WGT pilgern – und auch vorhaben das weiterhin zu tun. Ich lausche gespannt, wie sich das Festival über die Jahre immer mehr vergrößert hat, professioneller aber natürlich auch kommerzieller wurde.
Als anne clark drinnen anspielt und weitere menschen massen in die halle strömen, zieht es mich auch kurz in die halle, um, wie es einer meiner gesprächspartner sagte, der Großmutter von uns allen zu lauschen. Ja, es werden Szenen der Vergangenheit wach, wenn ich auf dieses Relikt meiner Jugend treffe. Ich freue mich für sie, dass die schwarze Szene sie nach einigen Jahren in der Vergessenheit wieder entdeckt hat und sie doch inzwischen jedes Jahr hier in deutschland zu sehen ist. Dennoch werde ich mit den neuen Überarbeitungen ihrer Klassiker wie sleeper in metropolis nicht warm. Zu viel hat sich der Titel vom original wegentwickelt, was ihr gutes recht ist und ich auch bewundere. Viele Künstler, die seit Jahrzehnten aktiv sind spielen ihre Hits immer gleich, wie fantasielos. Anne clark hat sich hier weiterentwickelt und überzeugt auch heute noch durch unaufgeregte, intensive Präsenz.

DSC09942DSC09749

Fazit: in Abgrenzung zum Amphi und Mera Luna hat das WGT seinen eigenen Reiz, da es über die ganze Stadt verteilt ist. man pilgert – meist per Tram – durch die Stadt und kommt mit vielen – nicht nur schwarzen – Leuten ins Gespräch. es herrscht viel Toleranz auf beiden Seiten.
wir sind auf jeden Fall nächstes Jahr wieder dabei!

ObscuraLuce